Soziale Unterstützung trotz sozialer Distanzierung

Besonders in schweren Zeiten, wie wir sie aktuell aufgrund der COVID-19 Pandemie durchleben, wird den meisten von uns bewusst, wie wichtig es ist, sich auf die Unterstützung und Hilfe durch andere Menschen verlassen zu können: Wenn man zum Beispiel akut erkrankt und neben den unterschiedlichen körperlichen Auswirkungen und Sorgen auch noch feststellt, dass man einfache alltägliche Dinge (z.B. Einkaufengehen) jetzt nicht selbst erledigen kann. Wenn man sich plötzlich einer rapiden Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Situation gegenübersieht, aber finanzielle Hilfe vom näheren Umfeld nicht zugänglich ist, weil das nähere Umfeld die gleichen Probleme hat. Oder wenn man sich als erwerbstätige Eltern aktuell darum kümmern muss, Betreuung und Heimunterricht für die Kinder umzusetzen und gleichzeitig dem Job nachzukommen, weil auch dort dringende Ziele zu erreichen sind. Auch wenn manche Formen der sozialen Unterstützung wegen der ergriffenen Maßnahmen wie des Gebots des Abstandhaltens erschwert werden, ist es dennoch nicht unmöglich, andere Menschen sozial zu unterstützen bzw. von ihnen sozial unterstützt zu werden.

Was ist soziale Unterstützung?

Soziale Unterstützung zielt darauf ab, belastende Probleme einer anderen Person zu lösen oder ihr das Durchleben der belastenden Situation erträglicher zu machen. Im Alltag können wir soziale Unterstützung in verschiedenen Formen erfahren bzw. leisten, sei es emotional (z.B. Trost oder Ablenkung), informationell (z.B. Hinweise auf finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten) oder instrumentell (z.B. Hilfe bei der Kinderbetreuung, Einkaufengehen). Erfährt eine Person, die sich in einer belastenden Situation befindet, soziale Unterstützung durch ihr Umfeld, kann dies Stress reduzieren und sich sogar positiv auf die körperliche Gesundheit auswirken.

Interessanterweise zeigen aktuelle Befunde psychologischer Studien, dass nicht nur die tatsächlich erlebte soziale Unterstützung positive Folgen haben kann. Im Gegenteil scheint bereits die Erwartung, in Zeiten der Not auf Hilfe zurückgreifen zu können, auch ohne dass das notwendigerweise in die Tat umgesetzt wird, noch zuverlässiger mit besserer Gesundheit und besserem Wohlbefinden zusammen zu hängen. Allein der Gedanke, sich in einer eventuellen Notsituation auf andere verlassen zu können ist ein angenehmes Gefühl, nicht zuletzt, weil es eine Art Nebenprodukt von positiven und als sinnstiftend erlebten Interaktionen mit anderen Menschen ist, z.B. weil man bei der Interaktion mit dem Gegenüber Freude empfunden hat oder sich über gemeinsame Interessen austauschen konn

Worauf ist bei sozialer Unterstützung zu achten?

Soziale Unterstützung hat leider nicht immer nur positive Auswirkungen. Das liegt daran, dass der Erhalt von sozialer Unterstützung auch Kosten für den Empfänger oder die Empfängerin bereithalten kann. Zum Beispiel kann es zusätzlich belasten, wenn man durch unterschiedliche Umstände nicht in der Lage ist, den Menschen, die einem helfen, auch ausreichend „zurückzugeben“. Was also tun? Eine Möglichkeit ist Gelegenheiten zu schaffen, diese Balance wiederherzustellen, beispielsweise indem man einem Menschen, der gerade intensiv unterstützt wird, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Gelegenheit gibt, „zurückzuunterstützen“. Solange es nicht zu viel wird oder aus anderen Gründen überlastet, kann es sogar für das Wohlbefinden und die körperliche Gesundheit vorteilhaft zu sein, andere zu unterstützen.

Auch die inhaltliche Passung zwischen der erhaltenen Unterstützung und den eigenen Bedürfnissen und Zielen ist wichtig. Manchmal bekommen wir zum Beispiel einfach die falsche Art von Unterstützung, auch wenn sie gut gemeint ist. Wenn man bei der Arbeit einen harten Tag hatte und sich Zuspruch und Trost wünscht, aber ausschließlich Tipps zum besseren Zeitmanagement bekommt, fühlt man sich vermutlich nicht wirklich unterstützt oder besser – auch wenn man der unterstützenden Person für die investierte Zeit und Mühe eigentlich dankbar ist. Das kann bei wiederholtem Auftreten dazu führen, dass man sich dauerhaft unverstanden fühlt, was sich ungünstig auf die Beziehung auswirken kann. Im Umkehrschluss ist es für eine erfolgreiche soziale Unterstützung hilfreich, herauszufinden, was den anderen Menschen genau umtreibt und darauf einzugehen.

Schließlich scheint es auch wichtig zu sein, das Gefühl der Eigenständigkeit der Unterstützungsempfängerin oder des Unterstützungsempfängers zu fördern. Das kann z.B. dadurch erreicht werden, indem man ihm oder ihr dabei hilft, die Situation oder die Herausforderung für sich selbst begreifbar zu machen und das Erleben von Kontrolle über die Situation oder die zu meisternde Aufgabe zu erhöhen. Gemeinsam kann man machbare Lösungswege erarbeiten und die Unterstützungsempfängerin oder den Unterstützungsempfänger darin zu bestärken, dass sie das auch meistern kann.

Ist soziale Unterstützung trotz sozialer Distanzierung möglich?

In der aktuellen Situation ist es nicht immer einfach, auf den gewohnten Wegen soziale Unterstützung zu bekommen oder selbst welche für andere zu leisten, nicht zuletzt auch deswegen, weil man aktuell von anderen Menschen Abstand halten sollte – von Mitgliedern des eigenen Haushalts einmal abgesehen. Glücklicherweise kann man soziale Unterstützung auf viele verschiedene Arten leisten und erhalten, auch unabhängig von physischer Nähe. In vielen Fällen geschieht das über Gespräche, die auch gut auf Distanz geführt werden können, z.B. am Telefon oder per WhatsApp. Es werden aber auch wieder Zeiten kommen, in denen wir alle auf unser volles Repertoire an Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen können. Dann kann auch, falls angemessen und von beiden Seiten erwünscht, einfach mal wieder umarmt werden.

Autorinnen und Autoren des Webbeitrages: Nina Knoll