Aber alle sagen doch, ich soll mir die Hände waschen: Ab wann ist das ein Zwang?

Politiker, Wissenschaftler, Experten in den Medien: alle sagen uns immer wieder, wie riskant in der Coronakrise direkter Kontakt mit anderen Menschen ist. Wir sollen einander nicht die Hand geben und einen großen Bogen um unsere Mitmenschen machen. Außerdem sollen wir uns oft und lange die Hände waschen.

Diese neuen Verhaltensregeln sind vor allem für Kinder und Erwachsene schwierig, die unter einer Zwangsstörung leiden. Eine Zwangsstörung ist eine Krankheit, bei der man ständig Dinge denken oder machen muss, obwohl man das eigentlich gar nicht möchte: beim Waschzwang sind das zum Beispiel ständiges Händewaschen, Duschen oder die eigenen Anziehsachen zu reinigen. Typische Zwangsgedanken dabei sind zum Beispiel: „Ich bin verseucht“, „Ich bin schmutzig“ oder „Ich könnte andere krankmachen, wenn ich sie berühre“. Obwohl man weiß, dass das Unsinn ist, macht oder denkt man es trotzdem.

Wenn Ihr selbst einen Waschzwang habt, dann kommt Euch das hier bestimmt bekannt vor. Kinder mit einem Waschzwang vermeiden den Kontakt zu Dingen, die von anderen Menschen angefasst wurden:

  • Sie geben anderen nicht die Hand
  • Sie bemühen sich, keine Türklinke mit der Hand anzufassen. Haben sie dann doch eine Türklinke angefasst, ist sofort wieder der Zwangsgedanke da: „Ich bin verseucht.“

Die Coronakrise hat auch Auswirkungen auf den Waschzwang. Viele Kinder und Erwachsene fühlen sich Durch die neuen Verhaltensregeln darin bestätigt, sich über Sauberkeit Sorgen zu machen und die Zwangshandlungen weiter auszuführen. Die Warnhinweise der Experten können die Befürchtungen, andere krank zu machen, und das übertriebene Händewaschen sogar noch verstärken.

Welche Möglichkeiten Ihr und Eure Eltern habt, in dieser schwierigen Zeit mit Zwangshandlungen und Zwangsgedanken umzugehen, haben wir hier für Euch zusammengestellt:

Wenn der Sorgen-Computer Durchdreht – Tipps für Kinder mit einem Waschzwang

Der Sorgen-Computer

Wenn Du übertriebene Sorgen hast, heißt das, der „Sorgen-Computer“ in Deinem Gehirn dreht gerade durch. Es ist schon okay, wenn man sich Sorgen macht, aber wenn der Sorgen-Computer Durchdreht, wirst Du unglücklich und unsicher.

Wie kannst Du den Sorgen-Computer kontrollieren?

Mache Dir klar, dass Du nur das tun musst, was allgemein empfohlen wird. Zum Beispiel wird immer wieder empfohlen, sich für 20 Sekunden die Hände zu waschen. Man kann beim Händewaschen zweimal „Happy Birthday“ singen, dann hat man ungefähr die 20 Sekunden.

Zeit messen

Wie lange wäschst Du Dir denn normalerweise die Hände? Kannst Du das mal messen? Brauchst Du länger als 20 Sekunden? Dann darfst Du jetzt Deine Waschzeit auf 20 Sekunden verkürzen.

Was passiert, wenn Du Deine Hände länger wäschst?

Sie werden nicht sauberer. Mit der Zeit wird die Haut rau und rissig. Damit ist Deine Haut schlechter geschützt vor krankmachenden Keimen und Viren.

Gedanken waschen?

Viele Menschen mit Waschzwang sagen: „Ja, aber nach 20 Sekunden Händewaschen habe ich immer noch die Gedanken und Sorgen, meine Hände könnten nicht sauber genug sein. Und ich fühle mich auch nicht sauber.“

Das heißt: Wenn Deine Hände nach 20 Sekunden sauber sind, versuchst Du danach eigentlich Deine Gedanken und Gefühle zu waschen, oder? Aber kann man Gedanken und Gefühle waschen? Nö. Es funktioniert einfach nicht. Die Sorgen und die Unsicherheit sind immer noch da. Und dann macht man immer weiter. Und der Sorgen-Computer glüht.

Tricks für den Umgang mit Gedanken und Sorgen

Wasche Dir für 20 Sekunden die Hände. Du bemerkst, wie die Gedanken und Sorgen auftauchen und versuchen, dich zu verunsichern. Aber Du lässt dich nicht länger reinlegen. Sage Dir: „Ich kümmere mich nicht weiter um die Gedanken. Ich mache das so, wie wenn mir jemand gegenübersitzt und Grimassen schneidet. Ich lasse ihn einfach machen, aber ich reagiere nicht. Sonst macht er doch immer weiter.“ Dann lernst Du, dass die Gedanken mit der Zeit weniger werden.

GZSZ: Ein weiterer Trick ist die Gedankenzeit / Sorgenzeit (GZSZ)

Du machst einen Termin mit Deinen Gedanken und Sorgen. Nimm Dir am Tag – solange es hell ist – 10 Minuten Zeit, in der Du dich aktiv mit diesen Gedanken beschäftigen darfst. Stoppe die Zeit. Wenn am Ende der 10 Minuten der Wecker klingelt, sagst Du Dir: „Das war’s für heute, morgen wieder um die gleiche Zeit. Tschüss bis morgen, liebe Sorgen!“