Achtsamkeit in der Familie

Achtsamkeit in der Familie

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ (R. Niebuhr)

Das Gedicht veranschaulicht, welche Grundhaltung mit Achtsamkeit geübt werden kann. Bei der Achtsamkeit geht es darum, die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen Erfahrungen zu richten, ohne diese zu bewerten. Die aktuelle Lage kann schnell dazu führen, mit den Umständen, Einschränkungen, Gegebenheiten zu hadern und die Verbindung zu sich oder den Familienmitgliedern zu verlieren. Denn die Herausforderungen in den Familien sind extrem groß. Dies kann zu vielfältigen Stresssymptomen führen. Umso wichtiger ist es, den Blick immer wieder nach innen zu richten, sich zu zentrieren und präsent zu bleiben.

Aus der psychologischen Forschung wissen wir, dass das Üben von Achtsamkeit:

  • Stress lindert
  • psychisches Wohlbefinden fördert
  • Angst- und depressivem Erleben entgegenwirkt.

Zudem zeigen Studien eine Verbesserung der Immunfunktion durch Achtsamkeit – was aktuell ja auch nicht schadet.

Auch Kinder und Jugendliche können auf vielfältige Weise profitieren: Das Üben von Achtsamkeit führt zu einer Verbesserung zentraler Denkleistungen, wie Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis, welche für schulisches Lernen wichtig sind.

Achtsamer Umgang mit sich selbst

Wenn es besonders stressig wird, vergessen wir oft, uns um uns selbst zu kümmern. Es geht jetzt nicht darum, weitere „Übungen“ zu machen und sich dafür extra Zeit zu nehmen, denn diese fehlt den Familien aktuell an allen Ecken und Enden.

Es geht vielmehr darum, die Dinge, die wir sowieso tun, in einer bewussteren Haltung auszuführen:

  • wie das Duschen oder Zähneputzen am Morgen (und dabei nicht bereits den Tag innerlich zu planen).
  • Gönnen Sie sich den ersten Kaffee oder Tee am Morgen in Ruhe  – vielleicht sogar, bevor der Rest der Familie wach ist.
  • Es kann hilfreich sein, sich ein paar Minuten alleine in der Natur (im Garten, oder auch nur auf dem Balkon) aufzuhalten.
  • Wenn Sie eine „Praxis“ für sich haben (zum Beispiel Yoga, Meditation oder auch Joggen, Musizieren, Malen), achten Sie aktuell besonders darauf, diese in Ihren Tagesablauf einzuplanen.
  • Schaffen Sie sich bewusst Freiräume, auch wenn es aktuell in den Familien wenig Freiräume gibt.
  • Seien Sie freundlich mit sich selbst, wenn es mal nicht so gut läuft und es in der Familie „kracht“. Gerade in herausfordernden Zeiten ist es wichtig, sich Fehler zu verzeihen und gütig zu sich und den anderen zu sein.

Achtsamer Umgang mit den Kindern

  • Kinder sind Meister der Achtsamkeit, wenn sie z.B. spielen, basteln, singen, malen. Wir können die Kinder darin unterstützen, indem wir Ihnen diese Räume ganz bewusst schaffen.
  • Die Natur ist ebenfalls ein wunderbarer Ort, um gemeinsam mit den Kindern zu üben, präsent zu sein, z.B. indem wir den Vögeln lauschen, Blumen bewundern, Steine befühlen oder den Regen auf dem Gesicht spüren. Kinder springen in der Regel sofort drauf an, wenn wir ihre Sinne wecken – ganz besonders in der Natur.
  • Auch das gemeinsame Essen kann als Achtsamkeitsübung dienen, indem wir uns ohne Medien, ohne Ablenkung mit allen Sinnen dem Essen widmen („Wie sieht das Essen aus? Wie riecht es? Wie genau schmeckt es? Wie fühlt es sich im Mund an?“).
  • Zudem gibt es viele kleine Glücksmomente des Alltags – das gemeinsame Lachen, die Sonnenstrahlen oder das gemalte Bild. Es geht auch darum, diese Momente – bei allem Schweren und Anstrengenden – wahrzunehmen und wertzuschätzen.
  • Je nach Alter der Kinder ist es auch möglich am Abend zu reflektieren, was an dem Tag schön war, oder wofür man dankbar ist.

Achtsames Kommunizieren

  • Wenn Sie sich mit Ihren Familienmitgliedern austauschen, achten Sie drauf, dies nicht immer zwischen Tür und Angel zu tun.
  • Es ist wichtig, dass es immer mal wieder Momente am Tag gibt, wo Sie dem Anderen wirklich zuhören, ohne innerlich bereits woanders zu sein. Besonders für Kinder ist es zentral, dass ihnen aktiv zugehört wird – also mit Neugierde, ohne zu bewerten und auch ohne direkt auf das Gesagte zu reagieren.
  • Bei Schulkindern kann es aktuell besonders hilfreich sein, die Hausaufgaben in aller Ruhe zu besprechen und auch immer wieder mal zu hören, wie es denn gerade läuft.
  • Achten Sie auch darauf, das Thema Corona entsprechend zu kommunizieren, und ihrem Kind dabei möglichst Vertrauen und Sicherheit entgegenzubringen.

Fazit: Achtsamkeit im Alltag nutzen

  • Morgenübung im Bett (sammeln Sie sich am Morgen noch im Bett, z.B. räkeln und strecken Sie sich oder atmen 3 x tief durch)
  • Nutzen Sie die Essenszeiten mit der Familie (essen Sie mit allen Sinnen, ohne Medien)
  • Nutzen Sie Ihren Körper als Anker (bewusst duschen oder Zähne putzen)
  • Nutzen Sie Ihren Atem als Anker (z.B. bevor Sie den Computer hochfahren ein paar tiefe Atemzüge nehmen)
  • Nutzen Sie Warte-Situationen als Übung zur Sammlung (z.B. wenn das Anziehen Ihres Kindes etwas länger dauert oder in der Schlange im Supermarkt)
  • Nutzen Sie den Weg zur Arbeit/zum Einkaufen zur Sammlung („Wie genau fühlt sich das Laufen an? Was begegnet mir Schönes auf dem Weg?“)
  • Gehen Sie mit den Kindern nach draußen: Steine, Blumen oder Regen spüren oder lauschen, was alles in der Natur zu hören ist
  • Reflektieren Sie vor dem Einschlafen (evtl. auch mit den Kindern): „Was war heute schön? Wofür bin ich dankbar?“

Literaturhinweise:

Burke, C. A. (2010). Mindfulness-based approaches with children and adolescents: A preliminary review of current research in an emergent field. Journal of Child and Family Studies, 19(2), 133-144.

Tang, Y.-Y., Hölzel, B. K., Posner, M. I. (2015). The neuroscience of mindfulness meditation. Nat. Rev. Neurosci., 16(4), 213-225.

Autorin des Webbeitrages: Sandra Schmiedeler