Umgang mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung in der Coronakrise
Die Coronakrise bedeutet für viele Menschen eine Belastung bisher unbekannten Ausmaßes – etwa wegen der häuslichen Isolation, Existenzängsten oder Sorgen, um erkrankte Familienmitglieder. Bestimmte Ereignisse können jedoch so gravierend sein, dass man sie in der klinischen Psychologie als traumatisch bezeichnet. Betroffene können als Reaktion darauf eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln.
Was ist ein potentiell traumatisches Ereignis?
Als potentiell traumatische Ereignisse gelten der tatsächliche oder drohende Tod, ernsthafte Verletzungen und sexuelle Gewalt. Dabei können Betroffene das Ereignis selbst erleben, bei anderen Personen beobachten oder auch erfahren, dass einer nahestehenden Person ein traumatisches Ereignis zugestoßen ist.
Auch der plötzliche Verlust eines Familienmitglieds oder einer engen Bezugsperson in der aktuellen Situation kann ein traumatisches Ereignis sein. Es ist aber zuallererst ein Verlust, der eine Trauerreaktion nach sich zieht.
Achtung: Auch Lebensereignisse, wie Familienkonflikte, Erkrankungen oder die Bedrohung der finanziellen Existenz werden von vielen Menschen als sehr belastend erlebt. Sie gelten jedoch nicht als traumatisch. Gerade in der aktuellen Situation, in der wir uns alle Sorgen um unsere Angehörigen und Freunde, um die eigene Gesundheit und um unsere Zukunft machen ist diese Unterscheidung wichtig. Denn in der Psychotherapie gibt es Unterschiede im Umgang mit belastenden oder traumatischen Ereignissen.
Was sind mögliche psychische Folgen traumatischer Ereignisse?
Dass eine Person in Reaktion auf ein traumatisches Ereignis eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt erkennt man an dem Auftreten einiger charakteristischer Schwierigkeiten:
- Wiedererleben: Ungewollte Erinnerungen oder Albträume, die sich auf das Ereignis beziehen treten auf
- Vermeidung: Aktivitäten oder Situationen, die eine Erinnerung an das Trauma wachrufen könnten, aber auch traumabezogene Gedanken, Gespräche oder Gefühle werden vermieden
- Negative Veränderungen im Denken und Fühlen äußern sich in der Art über sich selbst und die Welt zu denken und in einer überdauernden negativen Stimmung
- Übererregung: Reizbarkeit und Wutausbrüche, riskantes oder selbstzerstörerisches Verhalten, übermäßige Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen treten auf
Wichtig ist aber auch die Zeit, die seit dem Ereignis vergangen ist: Während es in den ersten Tagen danach völlig verständlich und normal ist, solche Symptome zu erleben, so sollte sich doch in den folgenden Monaten die Belastung allmählich verringern. Bei Menschen, bei denen sich diese Symptome nicht verringern kann eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegen.
Welche speziellen Probleme können bei Personen mit Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung in der aktuellen Lage auftreten? Was können sie selbst dagegen tun?
Strategien, die Ihnen normalerweise geholfen haben, können durch die coronabedingten Auflagen nicht umgesetzt werden:
Hier ist ganz wichtig, dass Sie nicht auf möglicherweise sogar schädliche Strategien zurückgreifen (z.B. Alkoholkonsum), die dann weitere Probleme nach sich ziehen können.
- Besinnen Sie sich auch auf zweite oder dritte Alternativstrategien; Denken Sie an alles, was Ihnen in den letzten Jahren geholfen hat. Was können Sie jetzt davon gebrauchen? Machen Sie sich eine Liste.
- Denken sie über neue Strategien nach, die Sie in der aktuellen Lage umsetzen können, ggf. und falls möglich mit Hilfe von Freunden/Familienmitgliedern, denen Sie vertrauen können und denen Sie Mithilfe zutrauen.
- Möglicherweise können durch die coronabedingten Auflagen Situationen entstehen, die große Ähnlichkeit mit den von Ihnen erlebten traumatischen Ereignissen haben. In diesem Fall sollten Sie sich die Unterschiede zwischen der Situation damals und heute verdeutlichen und aufschreiben. Ein Beispiel könnte sein, dass Sie damals ein Kind waren und heute erwachsen sind.
- Durch die aktuelle Lage kann es zu einer übermäßigen Beschäftigung mit dieser Krise, vergangenen Krisen, oder mit Krisensituationen, vor denen man geflohen ist kommen. Die Ähnlichkeit aktueller Ereignisse mit vergangenen Situationen oder Gefühlen kann diese Gedanken auslösen. Auch das ist eine normale Reaktion. Versuchen Sie sich einerseits die Unterschiede zwischen früher und heute zu verdeutlichen und sich andererseits aber auch daran zu erinnern, was Ihnen bereits früher geholfen hat.
Bedingt durch die hohe allgemeine Belastung der Coronakrise ist es möglich, dass alte, ehemals gut bewältigte Symptome wieder auftreten oder verstärken.
- Sorgen über das Coronavirus erhöhen die Anspannung. Wir sind generell ängstlicher, was dazu führen kann, dass wir uns schlechter fühlen. Das ist ganz normal! Seien sie daher großzügig zu sich selbst. Gestehen Sie sich negative Gefühle in dieser außergewöhnlichen Situation zu.
- Sprechen Sie über Ihre aktuellen Sorgen und Probleme. Haben Sie vertraute Personen, denen sie zutrauen, dass sie sie unterstützen können? Rufen Sie diese an.
Was können Betroffene in der aktuellen Situation tun, wenn sie alleine oder trotz der Unterstützung ihrer Familie/Mitbewohner/Freunde nicht mehr zurechtkommen?
- Wenn sie schon eine Diagnose durch einen Arzt/Ärztin oder Psychotherapeuten/in haben und in Behandlung sind oder waren, sollten sie dringend Kontakt mit ihrem Behandlerin/Behandler suchen.
- Die aktuelle Situation unterscheidet sich sehr stark zwischen den Bundesländern, aber in den meisten Bundesländern ist in dringenden Fällen die Fortführung oder Wiederaufnahme einer Psychotherapie möglich.
- Wenn sie noch keinen Behandlungsplatz haben, dann können Sie sich bereits jetzt für die nächste Zeit bei einem/einer Psychotherapeuten/in anmelden. Die kassenärztlichen Vereinigungen in den jeweiligen Bundesländern helfen ihnen bei der Suche nach einer/einem Therapeuten in ihrer Nähe. Schnelle Unterstützung können sie auch in den Psychiatrien ihrer Umgebung finden.
Kann aus einer solchen Situation auch etwas Gutes entstehen?
Viele Personen, die ein traumatisches Ereignis – aber auch eine belastende Situation – erlebt haben, berichten von Posttraumatischer Reifung oder Wachstum. Damit ist gemeint, dass sie durch das Aufarbeiten der belastenden Zeiten auch positive Veränderungen an sich bemerken. Dazu gehören etwa:
- eine neue Wertschätzung ihres Lebens,
- eine neue Bewertung und Intensivierung von Beziehungen,
- ein Bewusstwerden der eigenen Stärken und
- eine Entdeckung von neuen Zielen und Möglichkeiten im Leben.
- Mache Personen berichten auch von positiven spirituellen Erfahrungen.