Was tun, wenn Menschen Verschwörungstheorien rund um Corona verbreiten?

Ein Beitrag der DGPs-Task Force „Verschwörungstheorien“: Roland Imhoff, Pia Lamberty, Tobias Rothmund, Stephan Winter, Stefan Schulz-Hardt

Viele Menschen sind in der Pandemie damit konfrontiert, dass Menschen in ihrem Umfeld Verschwörungstheorien verbreiten – zum Beispiel, dass die Corona-Impfungen dazu dienen, uns Substanzen zu injizieren, die Frauen unfruchtbar oder uns alle zu wehrlosen Robotern machen sollen. Auch wenn es für den Umgang mit Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, keine Universallösung gibt, lassen sich aus psychologischer Perspektive ein paar Punkte beachten. Dazu gehört, zunächst einmal ganz grundsätzlich zu unterscheiden, ob die Verschwörungstheorien im öffentlichen Raum (z.B. in sozialen Medien oder größeren Messenger-Gruppen) oder im privaten Bereich (z.B. beim persönlichen Gespräch) geäußert werden.

Verschwörungstheorien im öffentlichen Raum

Für Verschwörungstheorien im öffentlichen Raum gilt, dass jede Äußerung, der nicht widersprochen wird, das Bild davon beeinflusst, was die vermeintliche Norm und das Meinungsklima in der Bevölkerung sind: Wenn einige wenige Personen mit extremen Ansichten besonders aktiv sind, könnten Beobachter:innen zu dem Schluss kommen, dass ein großer Teil der Bevölkerung so denkt. Wenn Menschen ohne Widerrede über Wochen protestieren, könnten sie glauben, dass sie die Mehrheit repräsentieren. Verschwörungstheorien können mit menschenverachtenden Einstellungen einhergehen – wie beispielsweise Antisemitismus oder Hetze gegen medizinisches Personal.

Im öffentlichen Raum ist es daher wichtig, Verschwörungstheorien, insbesondere den verletzenden und menschenverachtenden, klar und deutlich zu widersprechen und damit die Norm für die Bevölkerung zurechtzurücken – auch wenn man die Sender:innen dieser Theorien nicht überzeugt.

Verschwörungstheorien im privaten Bereich: Tipps zum Umgang

Anders sieht es im privaten Bereich aus – also bei Personen, zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht. Zunächst ist es wichtig zu klären, inwiefern sich jemand über die Inhalte, die er oder sie verbreitet, wirklich im Klaren ist. Häufig werden nämlich Inhalte geteilt, ohne dass darüber intensiv nachgedacht wurde. In solchen Fällen kann Aufklärung wichtig und sinnvoll sein. Wenn das Gegenüber allerdings bereits stark überzeugt ist von einer verschwörungstheoretischen Weltsicht, wird man durch Faktendiskussionen nicht weiterkommen. In diesem Fall kann man sich an Beratungsstellen wenden, und auch ein paar der folgenden Tipps beachten.

Wichtig ist: Es gibt hier kein Patentrezept und auch keine wirklich belastbaren wissenschaftlichen Befunde dazu, wie eine Verständigung gelingen kann, aber durchaus Hinweise, was man bei der Kommunikation beachten sollte:

Don’ts:

  • Starten Sie möglichst nicht mit dem Anspruch, die Überzeugung des Gegenübers zu verändern. Überzeugungen können nicht von außen geändert werden; das kann nur das Gegenüber selbst. Sie können aber Impulse setzen. Wenn man hingegen vermittelt, es selbst besser und ganz genau zu wissen, führt dies häufig nur zu Reaktanz, also zur Ablehnung.
  • Vermeiden Sie Beschimpfungen. Weder durch bloße Beschimpfung des Gegenübers als „dumm“, „irre“ oder seiner Ansichten als „Unsinn“ kann man im Gespräch etwas erreichen. Kein Mensch möchte so behandelt werden, und niemand lässt sich von Beleidigungen überzeugen. Stattdessen kann ein solches Vorgehen zum Bumerang werden, weil sich das Gegenüber in die Enge getrieben fühlt und verbal „zurückschlägt“.

Do’s:

  • Versuchen Sie, das Denken Ihres Gegenübers für andere Sichtweisen zu öffnen. Dies gelingt allerdings eher selten über eine bloße Konfrontation mit vermeintlichen Fakten. Den größten Teil unseres Faktenwissens haben wir aus Sekundärquellen (und nicht eigenen Erlebnissen): Zeitungen, Fernsehen, Internet, Erzählungen und ggf. wissenschaftliche Fachartikel. Wir glauben diese Fakten, weil wir den jeweiligen Quellen vertrauen, und das ist bei Menschen mit Verschwörungsglauben vermutlich nicht anders – nur ziehen sie eben vielfach ganz andere Quellen heran. Wenn wir uns auf die vermeintliche Faktenebene versteifen, streiten wir also in Wirklichkeit darum, wessen Quellen vertrauenswürdiger sind, ohne das jedoch offen auszusprechen. Diese indirekte Kommunikation lässt sich umgehen, indem man sein Gegenüber direkt fragt, warum er oder sie meint, dass die eigenen Quellen vertrauenswürdiger seien. Schon interessiertes Nachfragen kann dazu führen, dass Ihr Gegenüber von ganz alleine über Inkonsistenzen des eigenen Weltbilds stolpert.
  • Versuchen Sie immer, eine wertschätzende Grundhaltung für Ihre Gesprächspartner:innen zu wahren: Nehmen Sie Ihr Gegenüber als Mensch mit Sorgen, Nöten und Bedürfnissen ernst. Versuchen Sie durch Nachfragen zu verstehen, warum diese Verschwörungstheorie eine so große Attraktivität hat. Vermittelt sie das Gefühl von Sicherheit zu verstehen, wie es (vermeintlich) wirklich ist? Gibt sie das Gefühl, bald die Zeit der Einschränkungen überwunden und die Kontrolle über das eigene Leben wiedererlangt zu haben? Diese Bedürfnisse sind legitim, und das kann so auch zurückgemeldet werden. Erzählen Sie von sich selber und wie Sie mit Ihrer eigenen Unsicherheit umgehen können, ohne Verschwörungsnarrative bemühen zu müssen.

Vielen Menschen hilft eine wertschätzende Haltung dabei, das eigene Weltbild aufzuweichen. Das wird aber sicher nicht von jetzt auf gleich gehen. Jeder und jede, die mit einem nahestehenden Menschen einen solchen Prozess beginnt, sollte sich deshalb auch selbst zugestehen, scheitern und aufgeben zu dürfen – denn im Zweifelsfall ist die eigene seelische Gesundheit wichtiger.

Unterstützungsmöglichkeiten:

Sektenberatungsstellen: https://www.weltanschauungsfragen.de/beratung/beratungsstellen/gebiet/deutschland

Mobile Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus: https://www.bundesverband-mobile-beratung.de/

Sekten Info NRW: http://www.sekten-info-nrw.de

ZEBRA BaWü: https://zebra-bw.com/

Veritas: https://veritas-beratung.de

Mitmensch: https://www.gemeinwesenberatung-demos.de/konfliktberatung-verschwoerungserzaehlung/

Entschwört: www.entschwoert.de

Autor:innen des Beitrags:

Roland Imhoff, Pia Lamberty, Tobias Rothmund, Stephan Winter, Stefan Schulz-Hardt